Materialverhalten im 3D-Druck – Feuchtigkeit, Temperatur & UV
Kunststoffe reagieren auf Umgebung: Sie nehmen Feuchtigkeit auf, altern unter UV-Licht und werden bei Wärme weich. Hier findest du praxisnahe Richtwerte, Trocknungstipps und Hinweise zur Auslegung, damit deine Teile im Alltag zuverlässig funktionieren.
Feuchtigkeit (Hygroskopie) – worauf es ankommt
Nasse Filamente verursachen Stringing, Blasen, raue Oberfläche und schwächere Layerhaftung. Aufgenommenes Wasser verdampft in der Düse und stört den Fluss.
Material | Feuchteaufnahme (Tendenz) | Hinweise |
---|---|---|
PLA | gering | Oberfläche leidet spät; dennoch trocken lagern. |
PETG / PCTG | mittel | Stringing & Mattierung bei feucht; gut trocknen. |
ASA / ABS | gering–mittel | ASA eher robust; ABS sensibler bei Warping. |
PA (Nylon) | hoch | Pflicht: trocknen & möglichst aus Drybox drucken. |
TPU | mittel–hoch | Feuchtigkeit = Blasen/Poren; behutsam trocknen. |
PC | mittel | Feucht = mikroporöse Oberfläche; trocknen. |
Trocknung – Richtwerte & Checks
Schonend trocknen, immer Herstellerangaben bevorzugen. Startwerte für gängige Ovens/Dryboxen:
Material | Temperatur | Dauer | Praxis-Check |
---|---|---|---|
PLA | 45–55 °C | 4–6 h | Keine „Knister“-Geräusche, weniger Stringing. |
PETG / PCTG | 60–65 °C | 4–6 h | Oberfläche wird klarer/glatter. |
ASA / ABS | 70–80 °C | 3–5 h | Layerhaftung stabil, weniger Blasen. |
PA (Nylon) | 70–80 °C | 6–8 h | Stringing stark reduziert; drucke aus Drybox. |
TPU | 45–55 °C | 4–6 h | Poren verschwinden, Flow konstanter. |
PC | 80–90 °C | 4–6 h | Oberfläche homogener; weniger Sprödbruch. |
- Lagern: luftdicht mit Silica-Gel (Indikator), Spulen nach dem Drucken sofort wieder verpacken.
- Drybox: Hygrometer < 20% r. F.; bei PA/TPU aus der Box drucken.
- Symptome nass: Knistergeräusche, Dampf/„Nebel“, matte rauhe Flächen, viele Fäden.
Temperaturbeständigkeit & Kriechverhalten
Oberhalb der Glasübergangstemperatur (Tg) werden viele Kunststoffe weich – Bauteile kriechen, verformen sich unter Last. Grobe Einordnung:
Material | Tg/Einsatzbereich (grobe Orientierung) | Hinweise zur Konstruktion |
---|---|---|
PLA | ~55–60 °C | Nicht für warme Umgebungen; Rippen statt massive Körper. |
PETG / PCTG | ~75–80 °C | Guter Allrounder; bei Dauerlast Rippen & größere Auflageflächen. |
ASA / ABS | ~90–105 °C | ASA outdoor-tauglich; ABS im Gehäusebau gängig. |
PA (Nylon) | ~50–70 °C | Zäh, aber feuchteempfindlich; Wandstärken großzügig. |
TPU | ~− / weich | Kriecht unter Dauerlast; für flexible Dämpfer, nicht für präzise Lager. |
PC | ~145 °C | Sehr temperaturfest, hohe Anforderungen an Drucker & Einhausung. |
- Gegen Kriechen: Flächenpressung reduzieren (größere Auflage), Rippen, Hülsen/Unterlegscheiben.
- Schraubverbindungen: Zug in Faserrichtung (Perimeter) legen, Heatsets statt gedruckter Gewinde.
- Annealing (Auslagern): PLA kann durch Tempern formstabiler werden – immer Tests durchführen.
UV/Outdoor & Medienbeständigkeit
- UV/Outdoor: ASA ≫ PETG/PCTG > PLA. Für Außen: helle Farben, ASA bevorzugen, ggf. Lack/UV-Schutz.
- Feuchte/Medien: PA nimmt Wasser auf (Maßänderung), TPU quillt bei manchen Medien – Datenblätter checken.
- Farbpigmente: Schwarze/gefüllte Mischungen erwärmen sich stärker in der Sonne → Verzug beachten.
Design & Druckeinstellungen – was hilft
- Perimeter > Infill: 3–4 Außenwände bringen mehr als 60% Infill.
- Rippen & große Radien statt dicke Blöcke – leichter & steifer.
- Layerhöhe fein (0,12–0,16 mm) für Bohrungen/Passungen; Standard 0,2 mm für Allround.
- Ausrichtung: Maßflächen parallel zur Druckplatte; Sichtflächen nach oben.
- Trocknen vor wichtigen Drucken – besonders PA, TPU, PETG/PCTG.
Vertiefung: Toleranzen, Wandstärke & Infill, Layerhöhe & Oberfläche.
Fehlerbilder – Ursache & Abhilfe
Symptom | Wahrscheinliche Ursache | Schnelle Lösung |
---|---|---|
Viele Fäden / „Nebel“ | Feuchtes Filament (v. a. PETG/PCTG/PA/TPU) | Trocknen; Retract/Temp. feinjustieren; Drybox. |
Matte, poröse Oberfläche | Wasserdampf in der Düse | Trocknen; Temp. minimal senken; Flow prüfen. |
Bauteil kriecht/verformt | Zu warm, Tg überschritten; hohe Flächenpressung | Materialwahl prüfen; Auflage vergrößern; Rippen. |
Risse im Sonnenlicht | UV-Alterung (PLA/ABS) | ASA/PC verwenden; UV-Lack; Einsatzort prüfen. |
Maß ändert sich nach Tagen | Feuchteaufnahme (PA) | Trocken lagern; Bauteil vorkonditionieren; Spiel einplanen. |
Mini-FAQ: Materialverhalten
- Woran erkenne ich nasses Filament beim Drucken?
- Knisternde Geräusche, kleine Dampfwölkchen an der Düse, starke Fäden, matte/raue Oberfläche.
- Trocknet der Filamenttrockner „zu heiß“ mein Material aus?
- Bleib im empfohlenen Bereich (Tabelle). Spulen nicht über Glasübergang erhitzen; Herstellerangaben haben Vorrang.
- Warum verzieht sich mein Outdoor-Teil?
- Dunkle Farben erwärmen sich stark; Material mit höherer Temp-Stabilität (z. B. ASA/PC) wählen und Rippen statt Vollmaterial einsetzen.
- Hilft Tempern immer?
- Tempern (z. B. PLA) kann Stabilität verbessern, bringt aber Verzugrisiko. Vorher Testkörper drucken und Maße prüfen.
- Wie lagere ich Filament richtig?
- Luftdicht mit Silica-Gel; Indikator-Beutel regelmäßig regenerieren. Hygrometer in der Box < 20% r. F. anstreben.
Weiterführende Themen
- Toleranzen – Grundlagen & Praxiswerte
- Konstruktion-FDM – Best Practices
- Layerhöhe & Oberfläche
- Ausrichtung & Stützstrukturen
- Oberflächen-Finish