TPU (flexibel) im 3D-Druck – Eigenschaften, Varianten & Praxistipps
TPU (thermoplastisches Polyurethan) ist elastisch, zäh und widersteht Abrieb – perfekt für Dämpfer, Dichtungen, Griffe, Schutzkappen und Schnappverbindungen. Die Herausforderung liegt in Förderung & Retract: Mit trockener Spule, moderaten Geschwindigkeiten und kurzen Rückzügen druckst du sauber und reproduzierbar.
Eigenschaften (Kurzüberblick)
- Elastisch (Shore A ~70–98): je niedriger die Zahl, desto weicher.
- Sehr zäh, hohe Schlag-/Kerbunempfindlichkeit, abriebfest.
- Geringes Warping, aber Fäden/„Fädenziehen“ möglich, wenn zu warm/feucht.
- Chemikalienbeständigkeit gut (Öle/Grease je nach Sorte), UV je nach Rezeptur.
- Maßhaltigkeit gut, aber weich → Nacharbeit/Entgraten vorsichtig.
Varianten & Shore-Härten
Variante | Typische Shore | Merkmale | Einsatz/Hinweise |
---|---|---|---|
TPU 85A | ~85A | Sehr weich, stark flexibel | Weiche Dichtungen/Griffe; langsamer Druck, kurze Retracts. |
TPU 95A | ~95A | Allround, gut förderbar | Häufigster Typ: Dämpfer, Schutzhüllen, Füße. |
TPU 98A/TPU-BLEND | ~98A | Fester, formstabiler | Mehr Maßhaltigkeit, weniger „Gummi-Gefühl“. |
TPEE/TPC | A 90–98 | Alternativen: teils härter/fester | Höhere Wärme-/Chemie-Beständigkeit je nach Typ; Parameter abweichend. |
Spezial (ESD/UV/lebensmittelecht) | Sortenabhängig | Additiviert, Eigenschaften verändert | Datenblatt beachten; teils spröder oder kühler zu drucken. |
Druckparameter (Startwerte)
Parameter | Richtwert | Hinweise |
---|---|---|
Düsentemperatur | 210–235 °C | Weicheres TPU meist kühler; zu heiß → Fäden/„Gummi-Schmieren“. |
Heizbett | 35–60 °C | Haftet gut; zu heiß → „Fußbildung“. Z-Offset exakt. |
Lüfter | 30–70 % | Für saubere Kanten/Brücken; zu viel schwächt Verbund kaum (TPU ist tolerant). |
Layerhöhe | 0,16–0,28 mm | 0,2 mm als Allround. |
Geschwindigkeit | Außen 15–30 mm/s | Innen 25–40 mm/s; gleichmäßige, ruhige Förderung. |
Retract | 0,2–1,2 mm (Direct) · 1–2,5 mm (Bowden) | Kurz & langsam; Wipe/Coast minimal; Z-Hop nur wenn nötig. |
Infill-Muster | Gyroid / Concentric | Für weiche, gleichmäßige Federung/Kompression. |
Siehe Infill – Muster & Dichte, Oberfläche & Finish.
Extruder/Hardware – was hilft wirklich?
- Direct-Drive ist am einfachsten; Bowden geht, aber mit sehr moderatem Retract.
- Filamentpfad geschlossen (enger PTFE-/Führungskanal) → verhindert „Aufpilzen“ & Schlingen.
- Andruck des Vorschubs moderat; zu hoch „kaut“ Kerben ins Filament.
- Düsen-Ø 0,4–0,6 mm; größere Öffnung macht den Fluss stabiler.
- Spulenführung reibungsarm (Reverse-Bowden/oberhalb des Extruders), keine scharfen Umlenkungen.
Design-Tipps für flexible Bauteile
- Flex einstellen über Wand & Infill: Wenige Perimeter (2–3) + 10–25 % Gyroid → weich; mehr Wände/Dichte → fester.
- Concentric Top/Bottom für runde Dichtflächen; verhindert „Treppchen“.
- Rippen & variable Wandstärken gezielt platzieren statt überall 100 % Infill.
- Fasen/Radien statt scharfer Ecken – vermeidet Kerbspannungen.
- Schnapphaken: ausreichend Radius an Wurzel, lieber breiter statt dicker.
Brücken, Überhänge & Support
- Brücken sind schwächer als bei PLA/PETG → Bridge-Profile aktivieren (langsamer, kühler, mehr Lüfter).
- Support sparsam: TPU klebt weich an – X/Y-Abstand erhöhen, Interface 2–3 Layer, Z-Abstand eher größer.
- Ausrichtung so wählen, dass Sichtflächen oben liegen und wenig Support nötig ist (siehe Ausrichtung & Stützstrukturen).
Trocknung & Lagerung
- Trocknen: 45–55 °C für 3–5 h (Startwert), Spule frei drehen lassen.
- Drybox: r. F. < 25 %; weiche Typen profitieren stark vom Druck direkt aus der Box.
- Feuchte-Symptome: viele Fäden, „schaumige“ Oberfläche, unruhiger Fluss.
Typische Einsatzbereiche
Dämpfer/Puffer, Gleiter/Füße, Schutzkappen/Griffe, Dichtungen/Schläuche, Schnapphaken, Kabelführungen. Für reine Steifigkeit/Temperatur: PA-CF oder PC.
Fehlerbilder – Ursache & Abhilfe
Problem | Ursache | Abhilfe |
---|---|---|
Fadenbildung („Stringing“) | Zu heiß/feucht, lange Reisen, starker Retract | Temp. −5–10 °C; trocknen; Retract kurz/langsam; Reisegeschwindigkeit ↑; Wipe/Coast minimal. |
Unterextrusion/„Ruckeln“ | Filament staut/quetscht, Andruck zu hoch | Förderpfad schließen; Andruck moderat; Geschwindigkeit ↓; Düse 0,5–0,6 mm erwägen. |
Blobs/„Nasen“ an Start/Stop | Druckabbau in der Düse fehlt | Coast/Wipe leicht aktivieren; Außen langsamer; Naht verstecken/ausrichten. |
Deckflächen unruhig | Zu heiß/langsam; Linien „schieben“ sich | Außen/Top etwas kühler; Geschwindigkeit leicht ↑; Concentric-Top testen. |
Support schwer entfernbar | X/Y-Abstand klein, Z-Abstand/Interface fehlt | X/Y 0,6–0,8 mm; 2–3 Interface-Layer; Z-Abstand größer wählen. |
Mini-FAQ: TPU
- Direct-Drive Pflicht?
- Nicht zwingend, aber deutlich einfacher. Bowden braucht sehr kurze, langsame Retracts und niedrige Geschwindigkeiten.
- Welche Härte für Dichtungen?
- Meist 85A–95A. Je dichter die Auflage und je kleiner die Wand, desto weicher darf das Material sein.
- Wie stelle ich „weich“ ein – über Material oder Slicer?
- Beides: Weicheres TPU (z. B. 85A) plus wenige Perimeter (2–3) und 10–20 % Gyroid → sehr flexibel.
- Hilft größere Düse?
- Ja, 0,5–0,6 mm stabilisiert den Fluss, reduziert Staus und erlaubt etwas höhere Geschwindigkeiten.
- Ist TPU UV-beständig?
- Kommt auf die Sorte an. Für dauerhaften Outdoor-/UV-Einsatz ist ASA oft besser geeignet.
Weiterführende Themen
- Infill – Muster & Dichte
- Ausrichtung & Stützstrukturen
- Oberfläche & Finish
- Toleranzen
- Materialverhalten – Feuchte & Temperatur