PCTG im 3D-Druck – Varianten, Eigenschaften & Praxistipps
PCTG ist – wie PETG – ein Copolyester, wirkt jedoch oft zäher und liefert ein duktiles Bruchbild bei guter Maßhaltigkeit. Es verzieht wenig, druckt sauber und eignet sich für funktionale Bauteile, Vorrichtungen und Gehäuse. Mit trockener Lagerung und feinjustierten Retract-/Temperaturwerten erhältst du robuste Teile mit wertiger Oberfläche.
Eigenschaften (Kurzüberblick)
- Sehr gute Zähigkeit, duktiles Versagen statt sprödem Bruch.
- Geringes Warping, hohe Maßhaltigkeit; Gehäuse selten nötig.
- Temperaturbeständigkeit ähnlich PETG (ca. 75–80 °C alltagsnah).
- Stringing-tolerant, aber dennoch: trockenes Filament und passende Retracts sind wichtig.
- Oberflächenbild: eher klar/satin, je nach Sorte auch matt verfügbar.
PCTG-Varianten im Vergleich
Variante | Merkmale | Einsatz/Hinweise |
---|---|---|
Standard-PCTG | Zäh, gute Klarheit/Oberfläche | Allround-Funktionsbauteile, Abdeckungen, Gehäuse, Vorrichtungen. |
Low-Stringing PCTG | Optimiert gegen Fäden, oft kühler druckbar | Saubere Details bei Mehrfachteilen; trotzdem trocken halten. |
Matte/Satin PCTG | Stumpfes Finish, Layer weniger sichtbar | Sichtteile; ggf. etwas heißer/langsamer für soliden Verbund. |
PCTG-CF / PCTG-GF | Fasergefüllt (Carbon/Glas) → steifer, matt, abrasiv | Gehärtete Düse (≥0,5–0,6 mm), moderater Retract, Kanten spröder. |
Spezial (ESD/UV-mod.) | Eigenschafts-Additive, ggf. andere Verarbeitung | Parameter nach Datenblatt, mechanisch teils spröder. |
Abgrenzung zu PETG: ähnlich zu verarbeiten; PCTG wirkt in der Praxis oft noch zäher und bricht weniger spröde.
Druckparameter (Startwerte)
Parameter | Richtwert | Hinweise |
---|---|---|
Düsentemperatur | 230–250 °C | Low-Stringing 230–240 °C; CF/GF 240–255 °C. |
Heizbett | 70–85 °C | Sehr gute Haftung auf PEI/Glas; bei starkem Grip Trennschicht nutzen. |
Lüfter | 30–60 % | Mehr Lüfter = bessere Kanten/Brücken, zu viel schwächt Verbund. |
Layerhöhe | 0,16–0,28 mm | 0,2 mm als Allround, fein für Passungen/Schriften. |
Geschwindigkeit | Außen 25–40 mm/s | Außen langsamer für glatte Flächen, innen zügiger. |
Retract | Profil + Feintuning | Wipe/Coast moderat; Reisen zügig, Z-Hop nur bei Bedarf. |
Trocknung & Lagerung
- Trocknen: 60–65 °C für 4–6 h (Startwert), Spule frei drehen lassen.
- Drybox: < 20 % r. F.; bei feinen Details direkt aus der Box drucken.
- Anzeichen für Feuchte: Fäden, matte/porige Haut, Knistergeräusche, „Nebel“ an der Düse.
Mehr Hintergründe: Materialverhalten – Feuchte, Temperatur & UV.
Design- & Slicer-Tipps
- Temperatur minimal-in-stabil – so heiß wie nötig, so kalt wie möglich.
- Retract & Reisen: Leerfahrten über Infill führen; Combing und „Avoid Crossing Perimeters“ nutzen.
- Brücken: eigene Bridge-Profile aktivieren (weniger Flow, langsamer, mehr Lüfter).
- Perimeter statt Infill: 3–4 Außenwände; lokale Verdichtung nur unter Boss/Heatset.
- Geometrie supportarm gestalten (Fasen/Radien) – siehe Ausrichtung & Stützstrukturen.
Typische Einsatzbereiche
Funktionsbauteile, Vorrichtungen/Lehren, Elektronik-/Kamerashells, Schutz-/Abdeckteile mit moderater Wärme. Outdoor/UV-Dauerlast lieber ASA, höhere Temperaturbereiche PC.
Grenzen & Alternativen
- UV/Outdoor: PCTG altert langsamer als PLA, aber ASA ist beständiger.
- > 80 °C Umgebung: PC oder technische Blends erwägen.
- Extrem feine Schriften: PLA druckt teils schärfer; mechanisch dann prüfen.
Nachbearbeitung & Verbindung
- Schleifen/Bohren/Fräsen möglich; geringe Wärmeentwicklung anstreben (sonst „schmiert“).
- Kleben mit CA/Epoxy; vorher entfetten/leicht anrauen.
- Schrauben: bevorzugt Heatsets/Muttern; gedruckte Feingewinde nur bedingt.
Fehlerbilder – Ursache & Abhilfe
Problem | Ursache | Abhilfe |
---|---|---|
Starkes Stringing | Feucht, zu heiß, Retract gering | Trocknen; Temp. −5–10 °C; Retract/Wipe/Coast feinjustieren; Reisen schneller. |
Glänzend „geschmierte“ Außenfläche | Zu heiß/zu langsam außen | Außen-Temp. leicht ↓, Außen langsamer aber Lüfter +10–20 %. |
Deckflächen hängen durch | Keine Bridge-Profile, zu geringe Dichte | Bridge-Speed/Flow aktivieren; Dichte +5–10 % oder Muster wechseln (Grid/Gyroid). |
Layer lösen sich | Zu kalt/zu viel Lüfter | Temp. +5–10 °C; Lüfter 30–50 %; Perimeter erhöhen. |
Haftung zu stark am Bett | Zu heißes Bett, sauberes PEI „beißt“ | Bett −5 °C; dünne Trennschicht (Klebestift); nach Abkühlen lösen. |
Mini-FAQ: PCTG
- Ist PCTG wirklich zäher als PETG?
- In vielen Rezepturen zeigt PCTG ein duktileres Bruchverhalten. Der konkrete Unterschied hängt von Hersteller & Sorte ab.
- Welche Lüftereinstellungen sind sinnvoll?
- 30–60 % als Ausgangspunkt. Für Brücken kurz höher; zu viel Lüfter schwächt den Layerverbund.
- Brauche ich ein Gehäuse?
- In der Regel nein. PCTG verzieht wenig. Bei großen Teilen hilft eine zugfreie Umgebung.
- Welche Düse für PCTG-CF?
- Gehärtete Düse ≥0,5–0,6 mm. Retract moderat halten, um Abrieb und Heat-Creep zu begrenzen.
- Wie bekomme ich klare Sichtflächen?
- Kühler und langsamer drucken, sauberes PEI/Glas, Top-Layer erhöhen, ggf. Ironing auf Deckflächen.
Weiterführende Themen
- PETG – Allround mit Tuning
- Toleranzen
- Ausrichtung & Stützstrukturen
- Oberfläche & Finish
- Infill – Muster & Dichte