Warum Toleranzen im FDM nötig sind
- Schichtaufbau: Innenkonturen „schrumpfen“ leicht, Außenkonturen „wachsen“.
- Extrusionsdynamik: Flow/Überextrusion, Retracts und Düsendruck beeinflussen Innenmaße.
- Abkühlung: Unterschiedliche Schrumpfraten je nach Material und Geometrie.
- Treppenstufen: Layer machen Kanten nicht perfekt glatt – vor allem bei schrägen Flächen.
Praxiswerte – schneller Start
Situation | Richtwert (Start) | Hinweise |
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Bohrungen (Schrauben/Schäfte) | CAD-Ø + 0,2–0,4 mm | Bei Bedarf kurz aufreiben/senken; Sichtseite nach oben ausrichten. |
Steckpassung (leichter Sitz) | +0,2–0,4 mm pro Seite | Innenmaß also +0,4–0,8 mm; Testlehre drucken. |
Gleitpassung | +0,1–0,2 mm pro Seite | Feinere Layerhöhe (0,12–0,16 mm) erleichtert glatte Bewegung. |
Presssitz | −0,1 bis −0,2 mm | Bei zähen Materialien (PETG/PCTG) eher −0,1 starten; Ecken verrunden. |
Messing-Heatsets (Gewindeeinsätze) | Herstellermaß + 0,1–0,2 mm | 2–3 Perimeter, ausreichende Wandstärke, saubere Einbringtemperatur. |
Clips & Schnapper | 0,2–0,3 mm Spiel in Schnapprichtung | Kerb-Radien (≥0,5 mm) gegen Bruch; Fasung an der Gegenkante. |
Gültig bei 0,2 mm Layer, 0,4-mm Düse, gut kalibriertem Drucker.
Bei 0,12 mm kannst du enger werden; bei 0,28–0,30 mm großzügiger planen.
Einflussfaktoren – so triffst du dein Maß
- Material: PLA eher maßhaltig; PETG/PCTG zäher → Presssitz kleiner beginnen;
TPU benötigt großzügigeres Spiel.
- Layerhöhe: Feinere Layer verbessern Innenmaße & Rundheit (z. B. Bohrungen).
- Düsengröße: Große Düsen (0,6/0,8) brauchen mehr Spiel – Linienbreite dominiert.
- Flow/Extrusionsmultiplikator: 1–2% Überextrusion summiert sich → kalibrieren.
- Ausrichtung: Maßkritische Flächen parallel zur Druckplatte anordnen.
- Perimeterzahl: Mehr Außenwände = steifer Rand → Passungen berechenbarer.
- Kühlung & Geschwindigkeit: Zu heiß/zu schnell → „Aufquellen“ an Kanten.
Konstruktionsregeln (CAD-neutral)
- Parameter anlegen:
spiel
, press
, bohr_plus
– alles später schnell anpassbar. - Fasen/Radien: 0,2–0,5 mm brechen scharfe Kanten, erleichtern Montage und verbessern Optik.
- Übergänge mit Radien statt scharfer Innenkanten (Spannungsreduktion, bessere Füllung).
- Wandstärke passend zur Düse (Vielfache der Linienbreite → saubere Perimeter, z. B. 1,2 mm bei 0,4-mm Düse/3 Perimeter).
- Bohrungen modellieren: CAD-Ø +
bohr_plus
; Passflächen parallel zur Druckplatte planen. - Heatset-Taschen: Boden ≥0,8–1,2 mm, Abstand zu Kante ≥1,5× Einsatz-Ø, ggf. Stützkontur einplanen.
- Schnapphaken: Biegebereich mit großem Radius, Materialfaserverlauf (Perimeter) in Kraftflussrichtung.
Typische Maße – schnelle Orientierung
Anwendung | Empfehlung | Bemerkung |
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M3 Schraube durch Bohrung | 3,2–3,4 mm | Für „leicht steckbar“. |
M3 Heatset-Außendurchmesser | Herstellermaß +0,1–0,2 mm | Wand ≥1,2 mm, 3 Perimeter. |
M4 Schraube | 4,2–4,4 mm | Je nach Layer/Düse prüfen. |
Zapfen/Loch-Steckung | Zapfen −0,2 bis −0,4 mm | Pro Seite gerechnet; Testlehre nutzen. |
Mess- & Prüfmethoden
- Kalibrierlehre drucken: Lochreihe 4–12 mm in 0,1-mm-Schritten, Stiftlehre entsprechend – notiere „passt leicht/stramm“.
- Maßkritische Richtung testen: Teile in geplanter Orientierung drucken.
- Temperatur & Flow: Einmal sauber kalibrieren (Linienbreite, Extrusionsmultiplikator) und dokumentieren.
- Messmittel: Schieblehre (0,02-mm-Auflösung) reicht; Rundheit an Bohrungen prüfen.
Fehlerbilder – Ursache & Abhilfe
Symptom | Wahrscheinliche Ursache | Schnelle Lösung |
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Schraube passt nicht ins Loch | Innenmaß zu klein, Flow/Layerhöhe zu grob | Bohrung +0,2 mm; ggf. reiben; Layerhöhe senken |
Steckung nur mit Gewalt | Zu wenig Spiel, weiche Außenwand | +0,1–0,2 mm pro Seite; mehr Perimeter; Ausrichtung prüfen |
Presssitz sprengt Wand | Ecken ohne Radius, Pressmaß zu groß | Innenradius >=0,5 mm; Pressung reduzieren; Wand dicker |
Heatset dreht durch | Tasche zu groß/zu nah am Rand | Tasche −0,1 mm; mehr Wand; Einbringtemperatur prüfen |
Unrundes Loch | Grobe Layerhöhe, ungünstige Ausrichtung | 0,12–0,16 mm Layer; Bohrung nach oben ausrichten |
Mini-FAQ: Toleranzen im Alltag
- Wie eng kann ich FDM-Passungen auslegen?
- Mit feinen Layern, kühlerem Druck und guter Kalibrierung sind +0,1 mm pro Seite für Gleitpassungen möglich – immer mit Testlehre absichern.
- Reicht es, die Layerhöhe zu verringern?
- Hilft, ersetzt aber kein konstruktives Spiel. Geometrie, Ausrichtung und Perimeter sind ebenso wichtig.
- Welche Rolle spielen Perimeter?
- Mehr Außenwände erhöhen Kantenstabilität und Maßhaltigkeit – gerade bei Steckungen spürbar.
- Warum sind Innengewinde im Druck schwierig?
- Treppenstufen und Überextrusion verformen Flanken. Besser: Heatsets oder Schneidgewinde nachträglich.
- Kann ich ISO-Passungen direkt übernehmen?
- Nur bedingt: FDM ist anisotrop. Nutze ISO-Werte als Orientierung, überprüfe sie mit gedruckten Lehren.
- Wie dokumentiere ich meine „Maschinenwerte“?
- Lehren mit Datum/Material/Layerhöhe labeln, Ergebnisse notieren und als interne Tabelle pflegen.
- Worauf achte ich bei großen Bauteilen?
- Schrumpf/Verzug werden relevanter. Passflächen vom Rand abrücken, mehr Perimeter und Rippen statt „massig Infill“.
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